Am 01. Oktober 2013 war es soweit: Das Meißnertreffen wurde als hundertjähriges Ereignis in der deutschen Geschichte und als Impuls stiftendes Ereignis für die Freideutsche Jugend jubiliert. Im Laufe der folgenden fünf Tage, unter anderem an dem Tag der Deutschen Einheit, trafen sich über dreitausend Jugendliche und Erwachsene, die sich heute mit der Jugendbewegung in Deutschland identifizieren. Auch die Heliand-Pfadfinderschaft war dabei – Ein Kommentar…
Das Lager befand sich auf einer Wiese am Fuße des Hohen Meißners im Norden von Hessen und bestand aus Hunderten von schwarzen Baumwollzelten, die sich um große beeindruckende Zeltkonstruktionen verteilten. Hier bestand das Treiben aus einem bunten Programm, von praktischen Künsten wie dem Schmieden, über Körperbeherrschung beim Tanz und Kampfsport bis hin zu aktuellen Diskussionen und dem christlichen Programm. Es wurde gefeiert bei Gesang, Musik und Tanz. Es wurde reflektiert und konstruktiv über Ziele und Motivation der Jugendbewegung diskutiert. Man redete über Werte und Moral, über Glauben und die Partizipation in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft. Was ist essentiell und von Bedeutung für die deutsche Jugend? Welche Moral, welche Wertvorstellung liegt ihr zugrunde? Welche Probleme und Gefahren birgt die Welt von heute?
Das christliche Zentrum wurde von der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschland (CPD) und von uns, den Heliand-Pfadfindern, geplant und geleitet. Hier wurden Gottesdienste, Andachten und spezielle thematische Programme wie ein Taize-Abend mit Liedern und Gesängen aus dem französischen Taize, einem interaktiv-christlichen Pilgerort, angeboten. In der gläubigen, recht jungen Gemeinschaft lobten wir Gott, sein Werk und redeten über unterschiedliche Ansichten und Philosophien. Natürlich war das ganze Programm öffentlich und jeder Teilnehmer auf dem Meißnertreffen konnte es wahrnehmen. Resümierend muss ich festhalten, dass es sicherlich viele Interessierte und Teilnehmer gab, wir im christlichen Zentrum jedoch im Vergleich zum restlichen Lager und seinen tollen Programmen nicht besonders zahlreich und frequentiert besucht wurden. Natürlich ist frühes Aufstehen bei kaltem Wetter zum Zwecke des Gottesdienstes nicht das Attraktivste für unsere Jugend. Was aber macht die Jugend auf dem Meißnertreffen und was ist für sie attraktiv? Was sind hierfür die Motive, was die Schwerpunkte im Leben? Die Stimme der neuen Generation spricht auf diesem Lager: Den meisten der Teilnehmer geht es in erster Linie um die Fahrtenschaft, die Pfadfinderei, das Singen, um die Sehnsucht nach dem großen Lagerfeuer und dem lauten, hallenden Gesang. Die Distanz zum Alltag, zur hektischen Gesellschaft und die Gemeinschaft in der Natur mit guten Freunden ist ein abenteuerliches Erlebnis. Jedoch auch der Austausch und die Bildung sind Schlaglichter einer Vielzahl von Individuen, die sich doch in einer Stimme vereint sehen. Sie sind vereint als die deutsche Jugend, als eine Generation, die eine große Verantwortung trägt. Eine Generation, die sich bewusst und klar gezielt in der heutigen Welt bewegen möchte und die Probleme offensichtlich wahrnimmt und erkennt, jedoch statt nur zuzusehen möchte diese Generation handeln. Probleme wie der Klimawandel, ein Ungleichgewicht in der globalen Ressourcenverteilung, Grenzen der Menschheit und ihrer Ethiken, die sich zum Beispiel mit Gentechnik beschäftigen. Auch innenpolitische Aspekte werden aufgegriffen: Deutschland wird älter und der Querschnitt der „Jugend“ schrumpft. Auch ist es unter immer weniger Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr üblich gemeinsam in der Welt zu agieren, statt sich in Unterhaltungsmedien zu verlieren. Ich habe den Eindruck, die neuen Generationen werden
unter Einfluss des Leistungssystems und durch die Umlegung der „neuen Werte“ auf Kaufkraft, Effizienz und Äußerlichkeit im Wesentlichen und Inhaltlichen entkernt. Weiter wird über Völkerarmut gesprochen und viele soziale Projekte wie auch Fördermaßnahmen werden angeboten. Sicherlich geschieht dies zu einem gewissen Selbstzweck der Einrichtungen, vor allem wird allerdings die Realität gezeigt und über Fakten gesprochen. In einem interaktiven Experiment wurden Jugendliche bei dem „Wandler zwischen den Welten“ zur Selbstreflektion angehalten und dabei unterstützt. Der christliche Gedanke ist von den Motiven vieler Meißnerteilnehmer eher in den Hintergrund gerückt, obgleich er doch von vielen unterstützt wurde. Auch hat die Meißnerformel von 1913, in der sich die Jugend zu alkohol- und nikotinfreien Veranstaltungen bekennt, leider nur noch bei wenigen Pfadfinderbünden Zuspruch gefunden und ist so in der aktuellen Meißnererklärung nicht übernommen. [Vgl. Meißnererklärung] So ist es bei einigen der warme alkoholfreie Tschai, bei anderen der Glühwein, der in die Berghaferl gekippt wird. Ich unterstütze diesbezüglich die Distanzierung von Alkohol und Nikotin sowie von jeglichen anderen berauschenden Mitteln auf offiziellen Veranstaltungen durch meine Pfadfinderschaft.
Im Gesamten kann ich von dem Ereignis „Meißnertreffen 2013“ nur positiv und zuversichtlich sprechen. Es gibt in der heutigen, in meiner Jugend noch genug „Bewegung“, es findet inhaltlicher Austausch statt und wir Jugendliche lernen früh Verantwortung zu tragen. Wir lernen die Welt in einem vertrauten Umfeld kennen und sehen sie mit unseren eigenen Augen in ihrer Schönheit, aber auch mit all ihren Problemen und Konflikten. Wir sehen aber auch eine große Gemeinschaft mit der wir uns identifizieren können und die uns trägt. Wir lernen auch zwischenmenschlich in ihr zu handeln, uns in ihr einzubringen und uns in ihr zu artikulieren. Diese Gemeinschaft trägt uns in unserer Jugendarbeit und gibt uns Raum, uns zu entfalten. Es ist eine Gemeinschaft, wie man sie außerhalb einer solch tiefgründigen Strömung wie der Jugendbewegung nicht mehr leicht finden kann. Die Welt ist effizienter, schneller, rationaler geworden. Dies ist leider oft mit weniger Individualität, weniger Freiheit und einem schmaleren inhaltlichen Raum verbunden. Viele Kinder sind heutzutage schon mit der Schule völlig eingebunden, andere sind nebenbei noch in vielen Vereinen aktiv und haben so keine Zeit mehr, um zu den Pfadfindern zu gehen. Es ist meiner Meinung nach jedoch wichtig, Kinder und Jugendliche in den genannten Kriterien zu fördern. Dies geschieht durch Jugendarbeit, durch Pfadfinderarbeit, durch unsere Arbeit. Ich hoffe, unsere Arbeit wird weiterhin als Beitrag für die Gesellschaft angesehen und auch so gefördert, dass die Arbeit in den Gemeinden und Städten auch zukünftig möglich ist und viele Früchte tragen wird.
von Gideon Schäfer, Gruppenleiter und Sippenführer in Butzbach (VI/DvB)